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to BEE or not to BE For a GMO-free Europe
28.04.2008

 

Fragen und Antworten zu Pestiziden im Wein

Eine Studie hat in konventionell erzeugtem Wein Pestizirückstände festgestellt und durchschnittlich 4 verschiedene Pestizide pro getesteter Flasche gefunden. Soll ich jetzt keinen Wein mehr aus Europa trinken?
Die Studie des Pestizid-Aktionsnetzwerkes PAN Europe hat Weine aus verschiedenen EU-Ländern auf Pestizide untersucht. In jedem der getesteten 34 Flaschen Wein aus konventioneller Produktion fanden sich Pestizide, im Durchschnitt 4 pro Flasche. Insgesamt haben die Labors 24 verschiedene Pestiziden nachgewiesen, darunter fünf, die in Europa auf der Liste der krebserregenden, erbgut- und fortpflanzungsschädigenden oder hormonell schädlichen Stoffe stehen. Weitere drei stehen im Verdacht, Krebs auszulösen und vier andere werden von der WHO als gefährlich eingestuft. Damit klingelt bei der Hälfte der gefundenen Pestizide die Alarmglocke.

Die Studie widerlegt die weit verbreitete Annahme, dass es im Wein keine Pestizidrückstände gibt. Mit der Präsentation der Studie wollte ich als Berichterstatterin des EP-Ausschusses für Umweltschutz, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit dazu beitragen, dass mehr Aufmerksamkeit entsteht für die Pestizidbelastung unserer Lebensmittel, erst recht, was das Problem der Mehrfachbelastung angeht. Denn bei der Einschätzung der Risiken konzentriert sich die Forschung auf die Wirkungen eines einzelnen Pestizids. Wie verschiedene Pestizide aber in Kombination wirken, darüber tappen wir zu oft im Dunkeln, ebenso wie über die Frage, welche langfristigen Gesundheitsschäden sich durch diese Kombinationen ergeben.

Ziel der Studie war nicht die Verunsicherung der Verbraucher, sondern ihr Recht auf Information sicherzustellen. Gefährliche Pestizide in Obst und Gemüse sind die Lebensmittelsorge Nr.1 der europäischen Verbraucher. Der Bio-Boom in ganz Europa beweist, dass die Menschen verunsichert sind über die Sicherheit der Produkte der konventionellen Landwirtschaft und pestizidfreie Ware wollen. Der Genuss einer Flasche pestizidbelasteten Weins führt nicht zu Gesundheitsschäden, ebenso wenig wie eine einzige Zigarette. Aufklärungsbedarf besteht aber für die möglichen langfristigen Schäden, gerade wenn wir die Pestizide zusammenrechnen, die wir durch unterschiedliche Nahrungsmittel über den Tag hinweg - unfreiwillig - aufnehmen. Eine Greenpeace-Studie hat vor kurzem eindringlich gewarnt, dass die Pestizidbelastung im Essen unterschätzt wird, da Analyselabore mehr als die Hälfte aller Pestizide gar nicht aufspüren können.


Wieso die ganze Aufregung, wenn doch die Grenzwerte gar nicht überschritten wurden?

Das deutsche Weingesetz und die Weinverordnung legen nur fest, dass die Trauben für die Weinproduktion nicht die entsprechenden Rückstandshöchstmengen überschreiten dürfen. Für den Wein an sich - sei es Rotwein, Weißwein oder Federweißer gibt es aber keine eigenen Grenzwerte und erst recht nicht für die Kombination von Pestiziden.
Das Argument der Grenzwertunterschreitung erzeugt Scheinsicherheit. In den letzten Jahren ist es immer deutlicher geworden, dass krebserregende Stoffe und endokrine Disruptoren schon in sehr geringer Dosis wirksam sein können.

Aber alle im Wein gefundenen Pestizide sind doch in Europa zugelassen?

Aller Behauptungen der Industrie zum Trotz heißt ein zugelassenes Pestizid noch lange nicht, dass es sich um einen ungefährlichen Wirkstoff handelt. Die Einschätzung der Gefahren hinkt der Zulassung hinterher.

Aus diesem Grund werden in der Europäische Union zur Zeit die Vorschriften für die Zulassung von Pestiziden verschärft. Leitgedanke ist, dass Verbesserungen für den Schutz der Menschen, der Tiere und der Umwelt überfällig sind. Die EU-Kommission hat eine Kehrtwende in der Zulassungspolitik vorgeschlagen, dadurch dass bestimmte hochgefährliche Pestizide aufgrund des Vorsorgeprinzips erst gar nicht mehr zugelassen werden. Damit entfällt die oft langwierige und problematische Festlegung, ab welchem Wert und in welchen Mengen ein Pestizid noch "verträglich" ist, zugunsten von klaren Ge- und Verboten, wie es sie auch in der EU-Kosmetikgesetzgebung gibt. Das unrühmliche Beispiel des Kinderspielzeugs führt vor Augen, dass zu allgemein verfasste Sicherheitsregeln und langwierige Diskussionen um Grenzwerte genau das Gegenteil von Sicherheit bewirken. Außerdem werden Grenzwerte systematisch schön gerechnet. Deshalb sind nun auch für Kinderspielzeug endlich klare Verbote gefährlicher Chemikalien von der EU-Kommission vorgelegt worden.

Im Kern geht es bei der Änderung der Pestizidzulassung um das Verbot der sogenannten CMR-Stoffe, die krebserregend, erbgut- oder fortpflanzungsschädigend sind, und um die endokrinen Disruptoren, die das Hormonsystem stören. Das Europaparlament hat mir breite Unterstützung gegeben für meinen Vorschlag, auch den Immun- und Nervensystemschädigenden Pestiziden die Rote Karte zu zeigen.

Stimmt es, dass die Grünen alle Pestizide verbieten wollen?

Wir Grüne wollen Pestizide "zielsicher", die ja per Definition gefährliche Chemikalien sind. Es muss sichergestellt sein, dass sie nur den Schädling bekämpfen, und dabei keine anderen Schäden hervorrufen, weder für Menschen, noch für andereTiere oder für die Umwelt. Deshalb machen wir uns stark für klare Ausschlusskriterien hochgefährlicher Pestizide, die Substitution weiterer problematischer Wirkstoffe und ganz grundsätzlich für landwirtschaftliche Methoden, die mit wenig oder keinen synthetischen Pestiziden auskommen.

Das vorgesehene Verbot der CMR-Stoffe und endokrinen Disruptoren würde nur 4,5% aller in Europa zugelassenen Wirkstoffe betreffen. Aber selbst dagegen läuft die Industrie schon Sturm. Sie hat in der Gruppe der deutschen CDU/CSU-Abgeordneten im Europaparlament ein offenes Ohr für ihre Totalverweigerung gefunden. Frau Klaß hat ein kurzes Gedächtnis, wenn sie verschweigt, dass es Abgeordnete ihrer Fraktion waren, die in der 1. Lesung im Europaparlament Anträge eingebracht haben, um das Prinzip der Ausschlusskriterien auszuhebeln und das CMR-Verbot zu verwässern.

Die bei der Diskussion in Deutschland eingeforderte Vernunft gilt zu allererst für die Chemieindustrie, die Agrarlobby und ihre Helfershelfer im Europaparlament, die sich mit Desinformation und überzogenen Warnungen vor Nahrungsmittelknappheit gegen die Verbraucherinteressen stellen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Fundamentalopposition in den EU-Mitgliedsstaaten auf taube Ohren stößt und die EU-Agrarminister bei der politischen Einigung im Mai sich klar auf die Seite der Verbraucher und der Umwelt stellen.